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“…ARCHITEKTUR ALS AKTEUR EINES VERHANDLUNGSPROZESSES”

Arnold Bartetzky: Die Idee für den Neubau des Ausstellungsgebäudes für die GfZK Leipzig ist ein Entwurfsprozess, der nicht zunächst, wie das sonst üblich ist, von der Erscheinung des Gebäudes oder von der städtebaulichen Einbindung ausgeht, sondern von der kuratorischen Praxis, vom konkreten Bedarf der Institution. Welche Erfahrung habt ihr denn in dem Prozess gemacht, in dem ihr ja bestimmt auch sehr viel zuhören, gemeinsam nachdenken, diskutieren und lernen musstet?
AS-IF: Das war ein ganz entscheidender Punkt, die Agenda des Projekts gemeinsam abzustecken und eine gemeinsame Sprache dafür zu finden, um diese dann Schritt für Schritt in Richtung Architektur zu transformieren. Es gab davor schon gemeinsame Erfahrungen mit Barbara Steiner, in denen sich inhaltliche Nähen im Denken über Architektur, über Ausstellungsräume und über die Politik der Sichtbarkeit der Institution herausgestellt haben. Das hat uns stark interessiert, weil die Arbeitsweise einer Institution wie der Galerie für Zeitgenössische Kunst reflexiv mit den eigenen Bedingungen des institutionellen Arbeitens und einer institutionellen Praxis umgeht. Es ist eine Arbeitsform, in der es dann wirklich um sehr komplexes Schichten von unterschiedlichsten Aktivitäten geht, die aber auch immer wieder zueinander in Relation gebracht und thematisiert, problematisiert werden.Barbara Steiner: Es gibt in der zeitgenössischen Kunst eine unglaubliche Vielzahl an Artikulationsmöglichkeiten und für diese braucht es auch eine Folie - räumliche Gegebenheiten, die diesen unterschiedlichen Anforderungen gerecht werden können. Dieses immer wieder Neu-Artikulieren hat eine entsprechende Architektur zur Voraussetzung, die letztendlich diese Veränderungen in den Artikulationen erlaubt bzw. unterstützt. In unserem Fall war wichtig, dass es sich um Architekten handelt, die tatsächlich eine große Kenntnis der Entwicklungen innerhalb der zeitgenössischen Kunst haben. Das Gebäude verdankt sich nämlich mindestens so vielen Anregungen aus der bildenden Kunst wie aus der Architekturgeschichte.AB: Wie sind denn diese Prämissen an dem Gebäude selbst zum Ausdruck gekommen, also zum einen der Wunsch nach Sichtbarkeit oder Veranschaulichung des spezifischen Profils der Institution und zum anderen nach Wandelbarkeit, nach einer Variablen, ja soll man sagen Bühne, Präsentationsfläche für den Auftritt der zeitgenössischen Kunst? AS-IF: Wir haben in dem Prozess des Entwurfs und in der Abstimmung mit der GfZK versucht, sehr viele Reibungsflächen zu entwickeln zwischen verschiedenen Nutzungen nebeneinander, oder auch, dass die Räume ihre Bedeutungsebenen wechseln können. Am Anfang des Entstehungsprozesses hatten die Räume deutlichere funktionale Zuordnungen als sie jetzt haben. AB: Sie waren also klarer als Räume definiert? AS-IF: Sie waren klarer mit Begriffen definiert. Sie hießen noch deutlicher Sammlung, oder Kino oder Lager oder Projektraum. Das war dann auch eine Abstimmungsfrage mit der Galerie, welche Art von Definition nötig und nützlich ist, welche Definition irgendwann störend wird, welche Variabilität dieser Verwendungen möglich ist und in welchem Setting die Räume zueinander angeordnet werden können. Die Diskussion über den Entwurf befasste sich auch mit den Wirkungsweisen der Institution, die auch immer mit Definitionsmacht über Kunst und Kunstbetrachtung, Architektur, oder über ein Betrachtersubjekt verbunden sind, mit jenen Mechanismen also, die jeder Institution eingeschrieben sind und die in Kraft treten in dem Moment, in dem man eine Institution besucht und diese inszenierten, klar definierten Schwellen übertritt. Die Frage war, wie man diesen Wahrnehmungsakt von Seiten des Besuchers, des Betrachters auch wirklich kritisch reflektieren kann und ein Setting schafft, das die Interessen der Institution nicht einfach naturalisiert, sondern sie auch in ihren einzelnen Schichten oder in ihrem Schichtaufbau zeigt. Das hat dann auch damit zu tun, wie das Gebäude jetzt aussieht, dass es eben keine wirklich geschlossenen Räume gibt, dass es immer wieder bestimmte Andeutungen gibt, die eine bestimmte Funktion eines Raums nahe legen, aber diese Funktion nie zu hundert Prozent definieren. Es sind Verhandlungsflächen, die zur Verfügung gestellt werden, um die Institution damit operieren zu lassen. Es ist auch ein Instrument, eine „Maschine“ vielleicht bis zu einem gewissen Grad, welche die Institution in ihren Mechanismen sichtbar belassen soll. BS: Im Inneren verhalten sich die einzelnen Architekturelemente ja auch disparat zueinander. Es gibt zwei Displayzonen, eine gröber, die andere glatter, quasi perfektionistischer im Erscheinungsbild. Durch eingezogene Raumschalen werden bestimmte Bereiche ausgewiesen, die bühnenartigen Charakter haben. Man kann auch von „Settings“ sprechen. Damit wird nicht nur die Konstruktion eines Ausstellungsraums offen gelegt wird, sondern auch die Konstruktion der Institution selbst. Und in dem Moment, wo diese einem nicht „naturalisiert“ gegenüber tritt, wird sie auch verhandelbar. Man kann sich Alternativen vorstellen zum jeweiligen „Status Quo“. Rezipienten und Rezipientinnen werden sprichwörtlich eingeladen, in eine Auseinandersetzung über die Rolle und den Stellenwert der Kunst, aber auch der Architektur einzutreten. AB: Also kann man sagen, dass die Architektur hier Akteur geworden ist, Akteur des Verhandlungsprozesses, der mit der kuratorischen Praxis, mit der Entstehung einer Ausstellung, mit dem Austarieren von Interessen zwischen Kurator, Künstler und Publikum verbunden ist? Die Architektur nicht mehr nur als bauliche Hülle, nicht mehr nur als Bühne, als Präsentationsfläche, wie wir es vom White Cube kennen, sondern die Architektur als Akteur, mit dem sich jeder Kurator und hier eingeladene Künstler auch auseinandersetzen muss? AS-IF: „Auseinandersetzen muss“ ist ein gutes Stichwort, weil die Architektur natürlich so formuliert ist, dass man sie nie wegräumen kann, wie es normalerweise ja oft in Museen oder Ausstellungshallen üblich ist. Uns hat in dem Gebäude sehr stark interessiert, sehr viel von dem, was eigentlich Ausstellungsarchitektur wäre, schon mitzudenken, vorzugeben. Es gibt diese permanent sichtbaren Displays, Raumteilungen, Raumzonierungen, die nicht wegzuschalten, aber eben veränderbar sind. Die Räume können in ihrer Bedeutung und in ihren Funktionen verändert werden, so wie sie in ihren Relationen zueinander durch dieses Setting von Schiebewänden und Vorhängen veränderbar sind. Das Gebäude ist eher als sehr deutlich sichtbare Spielfläche zu verstehen, wie in einem Schachspiel vielleicht, oder wie in einem Spiel, wo es mehrere Spieler geben kann: Architektur, Institution, Kuratoren, Künstler, Besucher… BS: Es gibt im Kunstfeld neben den offensichtlichen noch eine Reihe von ökonomischen und politischen Akteure und Akteurinnen. Und sie alle treffen letztendlich an einem solchen Ort aufeinander. Architektur wird hier letztendlich ein Instrument, eine Art „Tool“, um diese Prozesse der Auseinandersetzung - unter den AkteurInnen aber auch mit dem Ausgestellten - aktiv zu moderieren. Man könnte auch sagen: Sie stellt erst die Grundlage für diese Debatten her, ja sie provoziert diese geradezu. AB: Man stellt sich ja erst einmal vor, dass das eine ziemlich große Herausforderung vor allem an nicht ortsansässige Kuratoren oder Künstler sein muss, einfach deswegen, weil der Grundriss dieses Gebäudes ja so ungeheuer kompliziert ist, also erst recht, wenn man sich die Variationsmöglichkeiten zu veranschaulichen versucht. Wie gut funktioniert das bis jetzt, einem auswärtigen Kurator oder Künstler die Möglichkeiten, die das Gebäude bietet, überhaupt zu vermitteln? BS: Also es gibt zwei Möglichkeiten bzw. zwei Reaktionen, die vorherrschend sind. Die eine Reaktion ist: Man ist zunächst entsetzt ob dieser Situation… AB: Überfordert… BS: Zunächst vielleicht. Die Herausforderung liegt darin, letztendlich sehr viele Beziehungs- und damit auch Bedeutungsebenen berücksichtigen zu müssen. Wir beobachten auch den Fall, dass manche Künstler und Künstlerinnen einen Umgang mit Raum, nämlich mit dem White Cube, geradezu verinnerlicht haben und ihnen ein Umdenken schwer fällt. Und genau dies ist notwendig: Man muss sich auf die neue Situation einlassen, um eine Konzeption für diese Räume entwickeln zu können. Wir KuratorInnen, geraten manchmal schon in die Funktion von Moderatorinnen, wir weisen auf die Qualitäten aber auch auf die Beschränkungen dieser Architektur hin. Interpretieren muss sie ohnehin jeder selbst. Wir haben aber auch beobachtet - je länger diese Künstler und KünstlerInnen vor Ort sind, desto mehr wächst die Begeisterung angesichts der Möglichkeiten. Da werden zum Beispiel Blickbeziehungen als Bedeutungsbeziehungen genutzt, Arbeiten Im Außenraum platziert, die nur im Gebäude wahrnehmbar sind oder auch die Außenfassade wie eine Innenwand verwendet. Es entwickelt sich eine Begeisterung über eine ebenbürtige Auseinandersetzung mit Architektur, die nicht dominiert, sich aber auch nicht unterordnet. Ich habe Probleme mit Architektur, die so tut, als wäre sie nicht da und ihre enorme Wirksamkeit verschleiert. Wir haben von Anfang an die Behauptung in den Raum gestellt, dass es keine neutrale Museums- oder Ausstellungsarchitektur gibt. Das ist sozusagen die erste Prämisse. Die Mechanismen der Architektur, ihre Bedeutung stiftende Macht, sollen mit ausgestellt werden. Des weiteren erlaubt das Gebäude keine Hierarchisierung im Verhältnis Architektur – BesucherInnen. AS-IF: Es hat auch sehr stark unseren Anspruch gegeben, in dem Gebäude eben keine definierten, kontrollierten Raumabfolgen zu produzieren. Dass es quasi von Seiten der Architektur nie so einen Spannungsaufbau gibt, der dann wirklich durchkonzipiert und durchkontrolliert ist, sondern ein Feld, das tendenziell horizontal und antihierarchisch ist, und in dem man bestimmte Beziehungen aufbauen kann. BS: Es handelt sich aber selbstverständlich nicht um Standpunktlosigkeit Diese Architektur bezieht ganz klar Stellung, sie formuliert eine Haltung. AS-IF: Es geht dabei allerdings nicht nur darum, diese inneren selbstähnlichen Räume miteinander in Beziehung zu setzen, sondern auch um den Bezug nach außen: über große Glasfassaden, über Oberlichter und über Glasschlitze, die Räume miteinander verbinden, die eigentlich voneinander getrennt sind. Es gibt bestimmte räumliche Setzungen, wie die inneren Verglasungen im Eingangsbereich, die eine bestimmte Reaktion einfach erfordern. BS: Ebenso wichtig ist auch, dass du bestimmte Dinge nicht machen kannst. Aufschlussreich war für mich von Anfang an, was das Gebäude nicht erlaubt. Es erlaubt kein erfürchtiges Staunen, keine Kontemplation. Es ist unmöglich, sich gegen ein gesellschaftliches Umfeld abzuschotten, weil der Bau sich durch die großen Fenster nach allen Seiten hin öffnet. Und selbst wenn man mit einem unglaublichen Aufwand alle Scheiben zumachen würde, wirkte dieser Versuch irgendwie krampfhaft. AB: Das würde das Konzept konterkarieren, und das wäre ganz offenkundig. Und das hat ja zu tun mit eurem spezifischen Institutionsprofil als Galerie für Zeitgenössische Kunst, damit, dass ihr nicht auf auratische Kunst setzt, keine auratische Kunst sammelt, sondern gerade das Verhältnis zwischen Kunstwerk, wenn man es überhaupt noch als Werk bezeichnen will, und Betrachter thematisiert. BS: Wir verstehen uns als eine Institution, die sich in einem bestimmten Umfeld mit einer spezifischen Vergangenheit befindet. Wir haben ein Interesse an einer Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Fragen. Abschottung wäre kontraproduktiv. AB: Also, Transparenz des Auftritts der Kunst, Verzicht auf hierarchische Gesten, Verzicht auch auf einen frontalen Auftritt der Kunst, wie ihn der White Cube eigentlich vorgibt... BS: Wir verzichten auf einen bevormundenden Auftritt. Aber Beteiligung, Aktivierung und Auseinandersetzung wird mit architektonischen Mitteln auf einer eher abstrakteren Ebene abgehandelt. Den sprichwörtlichen Hinweis „Achtung – Partizipation ist möglich“ findet man bei uns nicht. AS-IF: Es sind vielleicht umformulierte Schwellen, die natürlich in der Moderne immer wieder ein Thema waren. Es wurde im Museumsbau der achtziger Jahre immer wichtiger, Foyers, Cafés, Verkaufsräume usw. in die Museen hinein zunehmen, um eine Art von Konsumöffentlichkeit hinein zu ziehen. Damit wurden die Schwellen natürlich verlagert.. Was uns jetzt interessiert ist, dass es diese Schwellen eigentlich an sich als Idee überhaupt nicht mehr gibt, weil es diesen primären Unterschied von innen – außen, privat – öffentlich in der simplen dualistischen Form nicht mehr gibt. Auch der erste Raum ist eigentlich schon ein display-formulierter Ausstellungsraum. Und es war uns ganz wichtig, die Fassaden mehr oder weniger in einem System der Displayflächen zu denken, das sich quasi ins Endlose fortsetzen könnte. BS: Heute gibt es andere Schwellen, die viel immateriellerer Natur sind. Nicht alle haben an allem teil, entweder weil sie nicht wollen oder weil sie nicht können – und dies mehr und mehr auch aus ökonomischen Gründen. Wir tun viel dafür, den Kreis der Interessierten auszuweiten und die Barrieren für Zugänglichkeit herabzusetzen, aber es bleibt eine Herausforderung. Auch in diesem Zusammenhang ist diese Architektur wichtig. AB: Vielleicht eine Frage zum Abschluss: Diese hier manifest gewordene Idee der Wandelbarkeit, Verhandelbarkeit, hat ja auch schon Künstler inspiriert, die hier Räume gestaltet haben. Wir sitzen ja jetzt gerade im Café Neubau, das abends zum Club Weezie mutiert und einen ganz anderen Charakter annimmt…, das ist ja eigentlich eine schöne Fortführung eurer Konzepte. Oder auch diese beweglichen Tresen, der Kassentresen und die Garderobe… Inwiefern hat dieser Bau euch, eure Arbeitsweise, eure Gewohnheiten, verändert? BS: Als Herausforderung ist zu sehen, wie man mit diesem Gebäude umgehen kann, wie man Kunst ausstellt, und das Ausstellen wird dann selbst zum Thema - fürs Publikum, für die KuratorInnen, sondern auch für die KünstlerInnen. Man würde jetzt vermuten, dass dies ohnehin der Fall ist, aber es ist ganz und gar nicht immer so. Der weiße Ausstellungsraum mit all seinen ideologischen Implikationen ist zu selbstverständlich geworden. Und mit diesem Raumtypus haben sich auch eine ganz bestimmte Wahrnehmung und Bedeutungsproduktion durchgesetzt. Bei uns ist das Ausstellen als mächtiges Instrument selber explizites Thema

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